Gemeinsam sind wir stark!

Es scheint zurzeit nur noch ein Thema zu geben, auf das sich alle Aufmerksamkeit fokussiert, andere Themen haben kaum eine Chance. Wir erleben eine Situation, in der wir uns wenigstens darin einig sind, dass dieses Thema Priorität besitzt, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Da dieses Thema so allgegenwärtig ist, muss sich jeder irgendwie dazu positionieren (zum Abschlachten von Robbenbabies muss ich keine Meinung haben, denn dieses Thema ist nur ein und nicht das Thema (entschuldigt dieses drastische Beispiel)) und jeder ist betroffen und jeder positioniert sich. (ich muss das Thema noch nicht einmal erwähnen und jeder weiß, wovon ich schreibe)

Wir alle leben in Angst, doch diese Angst ist in der Regel selten eine konkrete Angst, sondern eine Angst vor dem, was passieren könnte, eine Angst, die meiner Vorstellung entspringt.

Ich meine hiermit nicht, die Menschen, die selbst furchtbar unter den Folgen dieser Krankheit gelitten haben und eventuell sogar Freunde und Angehörige verloren haben. Sondern ich meine damit Menschen, die Ängste entwickelt haben, sei es vor dem Virus, oder der Impfung, oder der Zukunft.

Egal auf welcher Seite der Debatte ich stehe, bestimmt in der Regel Angst mein Verhalten. Diese Angst und Ohnmacht ist schwer auszuhalten, und braucht ein Ventil. Wenn sie unser Säugetiergehirn Angst signalisiert bekommt, möchte es kämpfen oder fliehen. In einer Situation wie dieser, ist ein Ausdruck des Kampfes, alle Menschen, die nicht meiner Meinung sind anzugreifen. Eine Möglichkeit zur Flucht wäre der totale Rückzug, oder die Leugnung eines Problems.

Aber um in relativer Ruhe auf den anderen zuzugehen, braucht es ein gewisses Maß an Gelassenheit, Offenheit und Neugier.
Es ist wichtig, den anderen verstehen zu wollen und ihn zu akzeptieren, auch wenn seine Meinung ganz anders ist als meine.

Mir erscheint es wichtig, dass wir uns erlauben uns dem Anderen zuzumuten, mit unserer Meinung, unserem Verständnis und dass wir es erlauben, dass unsere Überzeugungen in Frage gestellt werden, ohne dass ich mich als gefährdet oder angegriffen empfinde. Ohne, dass ich mich Bewertungen ausgesetzt sehe, die mich verletzen.
In dieser schwierigen Zeit brauchen wir einen verbindenden Dialog, der stärkt, denn ich denke die meisten Argumente sind bereits ausgetauscht.

Ich persönlich ziehe mich aus Diskussionen, die nur als Schlagabtausch geführt werden, zurück, denn sie dienen für mein Empfinden nicht dem Austausch, sondern der Präsentation von gegensätzlichen Haltungen, mit dem Ziel nur die eigene Meinung gelten zu lassen.

Mein gegenüber bleibt ein Mensch, auch wenn seine Meinung eine andere ist.
Das was kurioserweise uns alle verbindet, ist tatsächlich die Angst, die Angst vor dem was passiert, und vor dem was noch kommt, vor dem, was ich nicht weiß.
Als Laie bin ich kaum in der Lage, mir einen umfassenden Überblick zu verschaffen und so muss ich irgendwie versuchen, zu einer Entscheidung zu kommen. Doch sobald ich mich für, oder gegen die Impfung entschieden habe, werde ich in eine Schublade gesteckt und als getrennt von den anderen, die sich anders entschieden haben, angesehen. Somit ist meine Entscheidung nicht nur etwas persönliches, sondern wird zu einem Thema allgemeinen Interesses.
Statt weiterhin nur die Angst zu schüren, wäre es wünschenswert, das was verbindet zu stärken und auf Schuldzuweisungen zu verzichten. Evtl. ist die stimmige Antwort auf die Angst, meine Angst und die Angst meines Gegenübers Mitgefühl zu spüren? Ein Mitgefühl, das mich nicht zu irgend einer Handlung auffordert, sondern das ich einfach zu mir nehmen darf.

Ein Gespräch aus der Angst heraus zu beginnen, macht den Blick eng und mein Fluchtwesen agiert aus dem Stress heraus. Es macht es sich nicht auf der Couch gemütlich, um ein interessiertes Gespräch zu führen, sondern es will schnell die Fakten klarstellen, um, wenn es auf einen Gleichgesinnten trifft, Sicherheit suggeriert zu bekommen, oder sich zum Kampf bereit zu machen.

Immer mehr führen wir die Diskussion so, als ob hinter meiner Meinung ich als Mensch überhaupt nicht mehr existiere. Es geht nur noch darum, wofür, oder wogegen ich bin. Diese eine Entscheidung scheint das Bild von mir zu bestimmen, scheint das Licht zu färben, in dem ich stehe. Die Diskussionen sind per se trennende. Wir führen unsere Gespräche, wie Kampfansagen. Verantwortliche werden gesucht und gefunden
All meine anderen Qualitäten als Mensch scheinen nicht mehr relevant zu sein. Als Mensch komme ich in diesen Diskussionen gar nicht mehr vor. Sondern es geht nur noch darum, auf welcher Seite ich stehe. Anscheinend ist die Haltung in dieser Frage wichtiger, als alles was mich als soziales Wesen ausmacht. Ich finde es erschreckend, dass Menschen, die eine andere Haltung einnehmen als ich, zum potentiellen Gefährder werden, von denen ich mich fernhalten sollte. (erinnert sich noch jemand an das Lied von den Schmuddelkindern?)

Unfassbar traurig.

Das führt zu einer totalen Verarmung auf der Beziehungsebene. Wir schauen uns nicht mehr in die Augen und sind nicht mehr neugierig, welcher Mensch mir da gegenübersitzt. Wenn mein Gegenüber eine andere Meinung hat als ich, fühle ich mich direkt in meiner gesamten Existenz bedroht und reagiere mit Angriff oder Ablehnung. Plötzlich wird mein Gegenüber zu einer Gefahr oder und zu einem Idioten, der nichts versteht. Dieser Haltung macht ein gelassenes und interessiertes Gespräch kaum mehr möglich.

An dem Thema Corona sind in den vergangenen Monaten Freundschaften, Beziehung und Familien entzweit worden. Das finde ich ganz furchtbar und herzzerreißend. Vielleicht können wir uns wenigstens darauf einigen, dass auch der Andere Angst hat, damit allerdings anders umgeht als ich.

Vielleicht braucht es manchmal Mut, um auf den Anderen zuzugehen, besonders dann, wenn es schon zu Verletzung gekommen ist. Aber vielleicht ist die Frage berechtigt, „was denn wichtiger ist, auf der richtigen Seite zu stehen, welche auch immer das für mein Empfinden sein mag, oder in Verbindung zu sein, mit Menschen die mir etwas bedeuten?“
Ich möchte die Bedeutung dieses Themas keineswegs schmälern, diese Pandemie betrifft uns alle. Doch die Pandemie des Trennenden macht mir zurzeit viel mehr Angst.

Es wird Zeit, die Würde des Menschen wieder an die erste Stelle zu stellen, und ihn nicht danach zu beurteilen, ob er geimpft oder ungeimpft ist. Leben und Menschlichkeit bedeutet so viel mehr, doch das scheint zurzeit ein wenig aus dem Blickfeld zu geraten. Es ist ein fataler Fehler, dass wir uns nicht mehr als Teil einer Gemeinschaft verstehen, sondern jeder alleine steht, beziehungsweise sich in einer Schublade befindet.

Die Folgen dieser Pandemie auf menschlicher und zwischenmenschlicher Ebene sind nicht abzusehen. Es ist klar, dass Bedürfnisse, z.B. nach Nähe, Kontakt, Bewegungsfreiheit, wenn sie lange unterdrückt werden, nicht einfach verschwinden, sondern dass wir in der Regel nach einer Möglichkeit der Kompensation suchen. Wenn ich meinen natürlichen Bedürfnissen nicht folge, entsteht Stress. Der bei diesem Geschehen aufgebrachte und nicht verarbeitet Stress bleibt im unserem System erhalten. Wenn wir unsere Bedürfnisse lange unterdrücken und wir „funktionierende“ Kompensationsstrategien (wie Filme schauen, essen, Drogen, Zocken…) entwickelt haben, ist der Weg zurück zu unseren natürlichen Bedürfnissen schwierig. Unser Verhalten hat sich dauerhaft verändert (Wenn mein Sportkurs, oder die Kartenrunde, oder meine wöchentlichen Treffen schon so lange ausfallen, wird es schwierig, einen Weg zurück zu finden, wieder an Altes anzuknüpfen).

Zur Untätigkeit und zum Aushalten verdammt, ohne Perspektive, so fühlen wir uns oft. Dies macht auf der einen Seite phlegmatisch und auf der anderen Seite frustriert und da drunter liegt eine Unsicherheit und Unruhe, die eine Entladungsrichtung braucht. Was wir brauchen, sind Strategien, um mit dieser furchtbaren Situation umgehen zu können, als Gemeinschaft und jeder einzelne. Eine Strategie, die unser Menschsein, unsere Würde in den Mittelpunkt stellt.

Es wird sich zeigen, wie sich das Geschehen in Zukunft auswirken wird.

Jetzt dauert dieser Zustand schon mehr als zwei Jahre an. Und ich kann mir vorstellen, dass diese lange Zeit einen Eindruck, eine Prägung in uns hinterlässt. Dinge die vor noch zwei Jahren unvorstellbar waren, haben mittlerweile Einzug in unseren Alltag gefunden und haben diesen nachhaltig verändert.
Nehmen wir das Bedürfnis nach Nähe, nach Kontakt, das Bedürfnis zu spielen bei Kindern.

Wenn diese Bedürfnisse so lange unterdrückt werden, dass sie kaum noch spürbar sind, verändert sich der Mensch nachhaltig.

Eine Kleinigkeit, die wahrscheinlich jeder bemerken kann ist, das es ganz normal geworden ist, dass wir uns nicht mehr die Hand geben. Dass wir, wenn wir miteinander reden auf Abstand achten und auf keinen Fall Körperkontakt aufnehmen.

 

Was wir tun können, ist freundlich, wohlwollend und neugierig zu bleiben, Leichtigkeit zuzulassen und bei allen Beschränkungen uns nicht in unserer Herzensqualität beschränken lassen.