Hallo,

der Text, den ich heute mit euch teilen möchte, begleitet mich inhaltlich schon eine ganze Weile. Schon lange möchte ich darüber schreiben was für mich wichtige Bausteine in der Therapie sind. Bausteine, die meiner Meinung nach notwendig sind, damit Therapie gelingen kann.

Vorweg möchte ich noch erwähnen, was für mich das Wort Therapie ganz persönlich bedeutet. Für mich ist Therapie in erster Linie Erziehung zur Liebe und insbesondere zur Selbstliebe. Sie ist ein Prozess, der einer aufregenden Reise gleicht und das unbekannte Land, das es zu entdecken gilt, ist das eigene innere Selbst.

Dies wird ein Text sein, mit der augenblicklichen Sicht auf dieses Thema. Im Rückblick kann ich sagen, dass meine Betrachtung von Therapie sich in den vergangenen Jahren immer wieder ein wenig verändert hat oder besser gesagt, sich wie ein Puzzle immer mehr komplettiert hat. Ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit und vielleicht kommt in der nächsten Zeit noch etwas hinzu oder vielleicht fällt auch Dir noch etwas Wesentliches ein, das bisher hier keine Beachtung gefunden hat. Natürlich könnte man bei den einzelnen Punkten noch sehr viel mehr in die Tiefe gehen (über Tage, was ich auf meinen Seminaren auch tue), doch möchte ich es hier bei einer Übersicht belassen, die durchaus diskutierbar ist.

Falls Du Fragen zu einzelnen Punkten, oder Ergänzungen hast, freue ich mich.

 

Im Folgenden habe ich eine kleine Liste erstellt von Qualitäten, Inhalten

und Faktoren, die mir in der Therapie wichtig sind. Eventuell wird das ein langer Text und du kannst ihn in Etappen lesen.

Bindung:

Bindung bedeutet für mich, dass es uns gelingt eine therapeutische Beziehung aufzubauen, die auf Vertrauen, Authentizität und Augenhöhe basiert. Beziehungssicherheit, und nichts anderes ist Bindung, ist für mich so immens wichtig, dass der Punkt hier an erster Stelle steht und ein bemühen darum wichtig ist, für das Gelingen von therapeutischen Prozessen.

Trauma-Sensibilität:

Trauma-Sensibilität bedeutet für mich, dass wir uns sensiblen Themen und Verletzungen mit besonderer Behutsamkeit widmen und achtsam Wert auf Ressourcen legen, um so Retraumatisierung zu verhindern.

Wohlwollen:

Da ich davon ausgehe, dass alles, was mir in der Therapie und auch im Leben begegnet einen innewohnenden guten Grund besitzt, ist es für mich absolut angemessen, allem was sich zeigen mag mit Wohlwollen zu begegnen. Ich lade meine Klienten ein, diese Haltung sich selbst gegenüber einzunehmen, um auf diesem Wege immer mehr sich selbst wertzuschätzen.

Selbstregulierung:

Selbstregulierung bedeutet mein Gegenüber so zu stabilisieren, dass er/sie irgendwann in der Lage ist, sein Nervensystem auch in schwierigen Situationen so zu regulieren, dass er/sie von diesen Situationen nicht überwältigt wird. Oder anders ausgedrückt, dass es immer häufiger gelingt in schwierigen Situationen gut bei sich zu bleiben.

Ressourcierung:

Wir alle verfügen über ein großes Maß an Ressourcen, deren wir uns oft nicht bewusst sind. Die Aufgabe in der Therapie sollte es sein diese Ressourcen zu entdecken und zu stärken und erlebbar zu machen.

Körperarbeit:

Bei allem was wir erleben, ist der Körper immer mit dabei.

Aus unterschiedlichsten Gründen nehmen wir den Körper allerdings oft nicht wahr- sei es, weil seine Wahrnehmung uns unangenehm ist, oder wir gelernt haben ihn nicht zu beachten. In der Therapie ist es ein wesentlicher Schritt den Körper mit ins Bewusstsein zu holen und ihn als Freund kennenzulernen. Den Körper wahrzunehmen, empfinde ich als wesentliche Ressource, die es zu etablieren gilt, denn unser Körper weiß oft Dinge, die unserem Denken verborgen sind. Gelingende Körperarbeit führt zu Embodiment. Das bedeutet, mit allen Ebenen meines Seins im Leben zu stehen.

Sicherheit:

Es erscheint mir wesentlich in der therapeutischen Sitzung einen Raum zu kreieren, in dem es möglich ist, so etwas wie Sicherheit zu empfinden. Sicherheit, dass mir jetzt im Moment nichts passieren kann, ich aufgehoben und gehalten bin und dass ich mit meinem So-sein, meinem Wesen, gesehen und anerkannt werde.

Spielraum:

Wenn wir in einer schwierigen Situation feststecken, haben wir oft das Gefühl, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt sich zu entscheiden. Dafür, oder dagegen. Meiner Meinung nach hat Therapie die Aufgabe diesen Spielraum zu erweitern und neue Perspektiven zu entwickeln und Handlungsspielräume zu mehren.

Verantwortung übernehmen:

Dies ist ein Thema, das sowohl mich als Therapeutin, als auch meine Klienten betrifft. Als Therapeutin übernehme ich die Verantwortung für mein Handeln. Ich bilde mich fort, um nach bestem Wissen und Gewissen begleiten zu können. Und ich ermuntere meine Klienten die Verantwortung für sich selbst und für das eigene Leben zu übernehmen, unabhängig von der erlebten und überlebten Geschichte und den Kontexten in denen sie leben. Das ist natürlich ein großes Ziel und wirft immer wieder die Frage auf, wer ich bin und was ich will.

Arbeitsbündnis:

Während der therapeutischen Sitzung ist es wichtig eine Übereinkunft zu treffen, in der Orientierung, Achtsamkeit, Halt, Grenzen und gegenseitige Achtung eine wesentliche Rolle spielen.

Co-Regulation:

Als Therapeutin stelle ich mich zur Verfügung, um in schwierigen Situationen da zu sein, zu sehen, zu bezeugen, zu halten und meine Klienten in die Lage zu versetzen immer seltener von Überflutungssituation überwältigt zu werden und Verbindung als heilsame Ressource zu erleben.

Retraumatisierung vermeiden:

Wie bereits gesagt, ist es mir wichtig in der therapeutischen Begleitung so achtsam zu sein, dass Retraumatisierungen vermieden werden. Hierfür ist es wichtig einen sicheren und wohlwollenden Halt zu geben, Ressourcen zu etablieren und kleine Schritte wertzuschätzen.

Psychoedukation:

Das bedeutet für mich über Trauma-Psychologie und Neurologie aufzuklären, damit mein Gegenüber immer mehr verstehen kann, dass das was er als störend, widerständig, oder sogar dumm empfindet, in den meisten Fällen eine angemessene Reaktion des Nervensystems auf unangemessene und überwältigende Erlebnisse ist.

Leichtigkeit und Spiel:

Steven Porges sagt:“ Wenn es spielerisch ist, kann ich nicht in Gefahr sein.“

Das bedeutet für mich, egal wie schwer die Themen sind, mit denen wir uns beschäftigen, darf ich Humor und auch Freude an der Entdeckung und Leichtigkeit einladen.

Unterscheidungsfähigkeit:

Ein weiterer Punkt, der für mich sehr gut beschreibt, was Therapie ist, ist die Unterscheidungsfähigkeit. In unserem oft stressigen Alltag neigen wir dazu viele Dinge in einen Topf zu werfen und dadurch den Überblick zu verlieren. In der Therapie haben wir die Möglichkeit den Blick feiner werden zu lassen und feiner wahrzunehmen, was in uns lebt.

Selbstermächtigung oder Selbstwirksamkeit:

Wesentlich ist es für mich, in einem therapeutischen Prozess, die Selbstermächtigung und die Selbstwirksamkeit zu stärken. Das bedeutet immer unabhängiger und selbstbestimmter zu werden, was für mich gleichbedeutend ist mit einem Weg in die Freiheit. Eine Freiheit, in der ich selbst über Verbundenheit und Abgrenzung entscheiden kann.

Alltagstauglich:

Alles was wir in der Therapie erarbeiten, sollte sich nach und nach in den Alltag integrieren lassen umso immer mehr die Möglichkeit zu erschaffen ein Leben zu führen, das dem eigenen Selbst entspricht.

Individualität:

Jeder Mensch ist einzigartig. Das bedeutet, dass kein Konzept, so gut es auch sein mag, sich wie ein Hut auf den Kopf eines Menschen stülpen lässt. Immer steht ein Mensch mit seiner wundervollen Persönlichkeit im Mittelpunkt. Diese gilt es zu würdigen, zu stärken und anzuerkennen.

Mut entwickeln Ich zu sein:

Oft haben wir nur eine ungenaue Vorstellung davon wer wir eigentlich sind. Oft tragen wir das, was andere über uns denken, oder was sie sich von uns wünschen, wer wir sein sollen, mit uns herum. Dadurch fällt es uns oft aus unterschiedlichsten Gründen schwer zu uns selbst zu stehen. In der Therapie möchte ich gemeinsam Motivation entwickeln immer mehr zu sich selbst zu stehen und die eigene Größe anzuerkennen.

Ziel und Ausrichtung:

Das Ziel einer jeden Therapie sollte die Unabhängigkeit sein. Die Unabhängigkeit, so zu leben wie das eigene Selbst es bestimmt. Unabhängig und doch in Verbindung mit sich und der Welt.

Kompensation:

In der Regel sind Kompensationsstrategien, Strategien die wir benutzen um mit Überflutungszuständen klar zu kommen. Als solche sind sie zuerst in ihrem Wert zu erkennen und zu schätzen, um dann im therapeutischen Prozess Möglichkeiten und Wege zu finden sich weniger kräftezerrende Möglichkeiten der Stabilisation zu eigen zu machen.

Containment:

Containment meint inneren Halt -also die Fähigkeit sich selbst Halt zu geben. Als Therapeutin stelle ich mich in der Sitzung zur Verfügung mit der Intention, Halt lern- und erfahrbar zu machen.

Wertschätzung:

Wertschätzung ist für mich ein wesentliches Element in der Therapie. Es ist sehr sinnvoll zu erlernen, dass meine Überlebensstrategien einen tiefen, innewohnenden Sinn besitzen, den es Wert zu schätzen gilt.

Es geht darum zu erfahren, dass nichts an mir falsch ist, sondern mein Leben mich in Kontexte geworfen hat, die es mir unmöglich gemacht haben mein wahres Selbst zu leben. Wertschätzung für diese Strategien, die mein Überleben gesichert haben, ist ein wesentlicher Schritt Richtung Heilung.

Demokratisierung der Innenverhältnisse:

Das klingt erstmal seltsam, doch im Grunde kennen wir das alle, dass wir in der Regel ein oder zwei (oder auch mehr) innere Stimmen haben, nach denen wir unser Leben ausrichten.

Problematisch wird es dann, wenn wir entdecken, dass es Stimmen oder Anteile gibt, die wir unterdrücken oder eventuell sogar als störend empfinden. Und dass es sehr laute Anteile gibt, die das Leben in einer Art und Weise lenken, die nicht meinem Wesenskern entspricht.

In der Therapie verschaffen wir all diesen Anteilen Gehör, entdecken ihren Wert für unser Leben und heißen sie willkommen.

Integration:

Heilung bedeutet für mich die Integration aller verletzter Anteile. Heilung bedeutet demnach nicht Symptomfreiheit oder nicht mehr triggerbar zu sein.

Wenn es gelingt verletzte Anteile zu achten und Überlebensstrategien wertzuschätzen, dann sind das wertvolle und wesentliche Schritte auf dem Heilungsweg.

Forschergeist:

Der Forschergeist ist für mich eine herausragende Qualität, die ein Therapeut besitzen sollte. Neugierig zu sein, auf das was mir begegnet, ist die Voraussetzung für einen weiten Geist und unvoreingenommene Begegnung.

Professionalität:

Professionalität bedeutet für mich, dass ich immer wieder bereit bin mein Handeln zu hinterfragen und mich selber weiterzubilden.

Mich immer wieder auf die Suche zu machen nach guten Lehrern, die mich auf meinem Weg begleiten. Zu meinem großen Glück ist das bisher sehr gut gelungen.

Um das eigene Handeln zu hinterfragen, braucht es immer wieder, besonders wenn die Themen, die mir begegnen mich auf ganz persönliche Weise berühren, Supervision. Das bedeutet, die Gelegenheit wahrzunehmen, das Wirken eigener Anteile zu erkennen und ins Bewusstsein zu nehmen und zu integrieren.

 

An dieser Stelle schließe ich meine Aufzählung, wie gesagt nicht mit dem Anspruch auf Vollständigkeit, sondern eher aus dem Bedürfnis der Klärung heraus.

Da auch Klarheit ein Prozess ist, bin ich selbst neugierig darauf, was sich noch zeigen mag.

 

Ich hoffe, dass ich Dich mit dem Text inspirieren kann und lade Dich ein, Deine eigenen Aspekte hinzuzufügen.